19.02.2020
Mehr als 250 Besucher informierten sich am Samtag, 15.2. beim Patiententag "Hilfe bei chronischem Rückenschmerz" über verschiedene Therapiemöglichkeiten und das interdisziplinäre Behandlungskonzept im Krankenhaus Tauberbischofsheim. Ärzte und Therapeuten standen für Fragen der Besucher zur Verfügung.
Rückenschmerzen
sind eine Volkskrankheit, rund zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind
oder waren schon einmal betroffen. Wie hoch das Interesse an diesem Thema ist,
zeigte sich auch am vergangenen Samstag beim Patiententag "Hilfe bei
chronischem Rückenschmerz" im Krankenhaus Tauberbischofsheim. Mehr als 250 Besucher
informierten sich in den Vorträgen sowie an den Infoständen und im Gespräch mit
Ärzten und Therapeuten über die verschiedenen Therapiemöglichkeiten.
Bewegungsmangel als Ursache
"Rückenschmerzen
sind in Deutschland zwar sehr häufig, aber in rund 90 Prozent der Fälle
verschwinden sie innerhalb der ersten sechs Wochen wieder", erläuterte Dennis
Sankat, Chefarzt der Abteilung für konservative Orthopädie und Schmerztherapie
in seinem Vortrag. "Erst wenn diese Schmerzen länger als drei Monate anhalten,
spricht man von chronischen Schmerzen. Dann bedarf es einer speziellen
Behandlung, um den Schmerz wieder erträglich zu machen." Als häufigste Ursache
für Rückenschmerzen nannte der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie
sowie spezielle Schmerztherapie Bewegungsmangel; dies sei ein regelrechter
Teufelskreis: "Bewegungsmangel führt zu Übergewicht und dies dann häufig zu
Gelenkverschleiß und Schmerzen, weshalb man sich dann noch weniger bewegt.
Dadurch wird die Muskulatur schwächer, ihre Stützfunktion nimmt ab, die
Schmerzen werden stärker und die Betroffenen bewegen sich noch weniger."
Sport als Vorbeugung
Diesen
Kreislauf gelte es zu durchbrechen und hier könne jeder auch vorbeugend etwas
tun, so Sankat. "Es gibt keinen Grund sich nicht zu bewegen, es geht um Sie und
Ihre Gesundheit", appellierte er an die Besucher. Als geeignete Sportarten
empfahl er u.a. Schwimmen, Wassergymnastik, Nordic Walking, Yoga, Radfahren und
Tanzen. Der Orthopäde nannte außerdem weitere Ursachen wie Gelenkverschleiß
(Arthrose) in den Wirbelgelenken, Bandscheibenvorfall, Spinalkanalstenose (Verengung
des Rückenmarkkanals) oder Störungen der Faszienkette. Auch Hüftprobleme
könnten Rückenschmerzen auslösen.
Frühzeitige Schmerzmedikation
Zunächst
müsse es darum gehen eine Chronifizierung der Schmerzen zu vermeiden, etwa
durch eine frühzeitige ausreichende Schmerzmedikation. "Sie dürfen auch mal
Schmerzmittel einnehmen, um einige Zeit zu überbrücken und sich dann auch wieder
mehr bewegen zu können", so Sankat. Wenn der Schmerz längere Zeit anhalte,
bestehe die Gefahr, dass sich das Nervengewebe verändert und der Schmerz noch
intensiver wahrgenommen wird.
Umfassendes Behandlungskonzept im Krankenhaus Tauberbischofsheim
Für die Behandlung solcher chronischer Schmerzen
habe man im Krankenhaus Tauberbischofsheim ein spezielles Therapieangebot mit
einem knapp zweiwöchigen stationären Aufenthalt etabliert. Dabei wirken neben
den Orthopäden, Unfallchirurgen und Schmerzmedizinern auch Psychologen und
Psychiater, speziell ausgebildete Pflegekräfte (Pain nurses), Physiotherapeuten,
Krankengymnasten, Masseure, der Sozialdienst, die Ernährungsberatung sowie konsiliarisch
auch Neurologen und Neurochirurgen mit. "Für die Diagnose nehmen wir uns
besonders viel Zeit: dazu gehören ein ausführliches Gespräch, die klinische und
apparative Diagnostik, aber auch die manualmedizinische Funktionsdiagnostik,
die Psychodiagnostik und Schmerzdiagnostik.
Individueller Therapieplan für jeden Patienten
Für jeden Patienten erstellen wir
dann gemeinsam einen Therapieplan, der individuell auf ihn abgestimmt ist."
Diese
Therapie umfasst z.B. manuelle Medizin, Osteopathie, Reflextherapie, medikamentöse
und interventionelle Therapie, Physiotherapie, medizinische Trainingstherapie, Psychotherapie,
Naturheil- und Entspannungsverfahren. "Oft können wir den Schmerz nicht ganz
beseitigen" räumt Sankat ein. "Unser Ziel ist es dann, den Schmerz deutlich zu
reduzieren. Die Patienten sollen lernen, mit den Schmerzen umzugehen, und sie
sollen sich wieder wohl fühlen können."
Unterstützung durch Psychologen
Wie wichtig
dabei auch die Unterstützung durch Psychologen und Psychiater sein kann, machte
Dr. Matthias Jähnel, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie in seinem Vortrag "Depression und Schmerz" deutlich.
"Depressionen gehen häufig mit Schmerzen einher wie auch umgekehrt chronische
Schmerzen zu Depressionen führen können", so Dr. Jähnel. Oft werde die
Depression auch aufgrund der im Vordergrund stehenden körperlichen Beschwerden
nicht erkannt. Psychische Symptome wie Interessenlosigkeit und Antriebsmangel
verstärkten dann oft noch die körperlichen Symptome. "In der multimodalen
Schmerztherapie im Krankenhaus Tauberbischofsheim beziehen wir daher auch
psychologische und psychiatrische Faktoren mit ein", so Jähnel. Umgekehrt
spielen Physiotherapie und Bewegungstherapie auch eine wichtige Rolle bei der
Behandlung von Depressionen."Die gute Nachricht ist", so Jähnel: "Depressionen
können sehr gut behandelt werden, aber dazu braucht es Zeit und Geduld. Und die
Erkrankung ist keine Schande: Depressionen können jeden treffen, auch berühmte
Persönlichkeiten wie z.B. Johann Wolfgang von Goethe haben darunter gelitten.
Pro Jahr sind in Deutschland ca. 7 Millionen Menschen davon betroffen."
Physiotehrapeuten demonstrierten Bewegungs- und Entspannungsübungen
Die beiden
Referenten sowie Oberärzte aus den Abteilungen standen während des ganzen Tages
für die Fragen der Besucher zur Verfügung. Physiotherapeuten gaben in verschiedenen
Workshops außerdem praktische Anleitungen für Entspannungs- und Bewegungsübungen.
In der Physiotherapie und im neu ausgestatteten Raum für die Medizinische
Trainingstherapie demonstrierten Physiotherapeuten verschiedene
Trainingsmöglichkeiten Außerdem informierten die Ernährungsberaterin sowie
Sanitätshäuser über praktische Hilfen im Alltag.