07.10.2019
Fachsymposium zum 40-jährigen Bestehen der Abteilung zeigt deutliche Verbesserung bei den Therapiemöglichkeiten für psychisch kranke Menschen. Viel Lob für Chefarzt Dr. Jähnel und sein Team.
Vor 40 Jahren
am 1. Oktober 1979 wurde die Abteilung für Psychiatrie, Psychosomatische
Medizin und Psychotherapie am Krankenhaus Tauberbischofsheim gegründet. Sie war
damals eine der ersten psychiatrischen Hauptfachabteilungen an einem Allgemeinkrankenhaus
in Baden-Württemberg. Mit einem Fachsymposium feierte das Krankenhaus in den
Räumen des 2016 eingeweihten Neubaus jetzt dieses Jubiläum. Dabei verwiesen
alle Referenten auf die deutlich verbesserten Therapiemöglichkeiten von
psychisch kranken Menschen in den vergangenen vier Jahrzehnten und lobten die
hohe Qualität der Behandlung am Krankenhaus Tauberbischofsheim.
Landrat Reinhard Frank unterstrich in seinem Grußwort die besondere Bedeutung der Abteilung für die Versorgung von psychisch kranken Menschen im Main-Tauber-Kreis und darüber hinaus für die gesamte Region: "Das Leuchtturmprojekt von damals hat bis heute nichts von seiner Strahlkraft verloren und ist beispielhaft für den ländlichen Raum", sagte er.
Die neue
Bürgermeisterin von Tauberbischofsheim Annette Schmidt gratulierte dem Chefarzt
der Abteilung Dr. Mathias Jähnel und seinem ganzes Team zum Jubiläum. "Ich bin
dankbar und stolz, dass Sie in Tauberbischofsheim ansässig sind und die
Menschen aus der Stadt und der Region hier wohnortnah Hilfe finden."
Als
Vorsitzender der Kreisärzteschaft unterstrich Sebastian Gerstenkorn, die "sehr gute Zusammenarbeit" zwischen
Krankenhaus und niedergelassenen Ärzten. "Wir können unsere Patienten in
psychischen Krisen hier immer in die Klinik geben. Die psychiatrische Abteilung
am Krankenhaus Tauberbischofsheim ist hervorragend aufgestellt und bietet eine
hohe Kompetenz in der medizinischen und pflegerischen Versorgung."
Entwicklung der Abteilung für Psychiatrie
Chefarzt Dr.
Mathias Jähnel gab einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der Abteilung für
Psychiatrie, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Krankenhaus
Tauberbischofsheim. Dabei verwies er auf die 1975 von Experten vorgelegte
Analyse der Situation von psychisch kranken Menschen in Deutschland, die
sogenannte "Psychiatrie-Enquete".
"Psychisch kranke Menschen wurden damals in großen Anstalten mehr oder
weniger verwahrt. Ärzte, Pfleger und Therapeuten gab es kaum." Die Empfehlungen
der Psychiatrie-Enquete leiteten davon eine Neuausrichtung der psychiatrischen
Versorgung in Deutschland ab, mit dem Ziel einer Gleichstellung von psychisch
und körperlich kranken Menschen. Dies sollte auch durch die Integration von
beiden stationären Therapien in einem Krankenhaus gelingen. "Mit der Gründung
der Psychiatrischen Abteilung am Krankenhaus Tauberbischofsheim haben einige
weitsichtige Kommunal- und Landespolitiker diese Ideen umgesetzt. Sie haben
damals einfach gemacht und nicht lange gezögert", so Dr. Jähnel. 2002 wurden
dann die Psychosomatische Medizin und die Psychotherapie in die Abteilung
integriert. "Der manchmal etwas umständliche Name unserer Abteilung
demonstriert unseren Anspruch an die Behandlung unserer Patienten in allen drei
Bereichen: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie." Mit einigen Zahlen unterstrich der Chefarzt
die Entwicklung der Abteilung: wurden im Jahr 1980 etwa 400 Patienten jährlich
stationär behandelt, steigerte sich die Zahl im Jahr 2006 auf 900 stationäre
Patienten bis zum Jahr 2018 auf 1600 Patienten. Zusätzlich wurden 6400
Patienten ambulant versorgt. Um diese erfolgreiche Arbeit fortzusetzen, brauche
es vor allem kompetente und engagierte Mitarbeiter. Jähnel: "Die habe ich und
darauf bin ich stolz."
Diesen Rückblick ergänzte Prof. Gerhard Längle mit einem Blick auf die Geschichte der Sozialpsychiatrie der letzten 40 Jahre am Beispiel der drei Landespsychiatriepläne, die seit 1974 vom Land Baden-Württemberg vorgelegt wurden. Dabei habe es immer wieder Diskussionen um eine verstärkte Spezialisierung in großen Kliniken einerseits gegen eine verstärkte Regionalisierung andererseits gegeben. Der Landesplan 2018 lege nun insgesamt eine klare Reihenfolge fest: "Kern der Versorgung ist die Ambulanz, dann folgt die Tagesklinik, dann erst die stationäre Versorgung." Prof. Längle: "Sie haben hier in Tauberbischofsheim also alles, was eine moderne Psychotherapie und Psychosomatik braucht; sie sind mit der Klinik hier sehr gut ausgestattet."
Entwicklung der Psychopharmaka
Dr. Gabriel
Eckermann setze sich in seinem Vortrag mit der Entwicklung von Psychopharmaka in
den letzten Jahrzehnten auseinander. Vor 1950 habe es keine Medikamente zur Behandlung
von Depressionen, Schizophrenien oder anderen schweren psychischen Erkrankungen
gegeben. Erst in den 50- und 60 Jahren wurden wirksame Psychopharmaka
entwickelt, teilweise aber mit erheblichen Nebenwirkungen. Seither habe es
immer neue Entwicklungen bei Psychopharmaka gegeben. "In den folgenden drei
Jahrzehnten sank die Population in den Krankenanstalten um 80%", machte Dr.
Eckermann die Erfolge der Psychopharmakotherapie deutlich. Er setzte sich auch
kritisch mit den Neben- und Wechselwirkungen von Psychopharmaka auseinander.
Häufige Nebenwirkungen seien etwa sexuelle Funktionsstörungen, Gewichtszunahme,
ständige Müdigkeit oder ständige innerliche Unruhe. "Wenn zwei dieser Effekte
auftreten, führt dies häufig zum Absetzen des Medikaments und damit zu einer
hohen Rückfallquote", betonte er. Seit den 90er Jahren gebe es jedoch
Antidepressiva und Antipsychotika der 2. Generation mit deutlich weniger
Nebenwirkungen. Zugleich warnte er vor dem Risiko von - teils erheblichen - Wechselwirkungen
dieser Antidepressiva mit anderen Medikamenten etwa Blutdrucksenkern und warnte
vor Selbstmedikation z.B. mit Johanniskraut. "Die Probleme, die Psychopharmaka
schaffen, können erheblich sein, aber sinnvoll eingesetzt, sind sie eine der
wichtigsten Fortschritte der modernen Medizin", zog er Bilanz. Dies setze viel
Wissen und ständige Fortbildung voraus. In diesem Zusammenhang lobte er die
Kompetenz von Chefarzt Dr. Jähnel und seinem Team: "Hier wird eine großartige
Haltung zur Arzneimittelsicherheit gelebt, nur wenige Kliniken trainieren ihre
Teams so gut wie hier."
Geschichte der Psychotherapie
Der
Geschichte der Psychotherapie widmete sich Prof. Elmar Etzersdorfer. Bei der
Psychotherapie stehen das Gespräch und die Beziehung zum Patienten im
Mittelpunkt. Zu den wichtigsten Verfahren gehören die Psychoanalyse sowie die
daraus abgeleiteten tiefenpsychologisch orientierten Therapien, kognitive Verhaltenstherapie
und systemische Verfahren. "Diese psychotherapeutischen Verfahren sind
wissenschaftlich fundiert und werden auch von den Krankenkassen bezahlt",
unterstrich Prof. Etzersdorfer. Daneben gebe es
eine unüberschaubare Anzahl von weiteren sogenannten
psychotherapeutischen Verfahren, die aber wissenschaftlich nicht validiert
sind. Die wissenschaftlich fundierte Psychotherapie sei inzwischen ein
integraler Bestandteil der psychiatrischen Behandlung geworden. In vielen
Fällen werde die Psychotherapie auch mit einer psychopharmakologischen Behandlung
kombiniert.
Psychiatrie im Spielfilm
Mit
Ausschnitten aus verschiedenen Spielfilmen über Psychiater und ihre Patienten fand
das Symposium einen unterhaltsamen
Ausklang. Prof. Axel Karenberg spannte aus diesen Filmszenen einen weiten Bogen
- von "Das Kabinett des Dr. Caligari" 1920 über "Mabuse, der Spieler" (1922) und
"Ich kämpfe um Dich" (1945), bis zu "Einer flog über das Kuckucksnest" (1975), "Das Schweigen der Lämmer" 1991 und aktuellen
Komödien - und leitete daraus die
unterschiedliche Wahrnehmung von Psychiatern in der Gesellschaft ab: Von
Dämonisierung und Glorifizierung bis zu Neutralität und unpolitischer Komödie.
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